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06.07.2017

Wilde Jahre, Welterkundung und Wohlfühlküche

Michael Friedrich hat im Kloster Drübeck bestimmt den am längsten „befristeten“ Arbeitsplatz der Welt

Heute braucht Michael Friedrich für seine Küche Bohnenkraut. Foto: Trosin

Heute braucht Michael Friedrich für seine Küche Bohnenkraut. Foto: Trosin

Wenn ein Koch 15 Jahre an einer Stelle ausharrt, dann muß diese Stelle wohl schon etwas ganz Besonderes haben. Gemeinhin sind Köche ja eher der wandernden Zunft zuzurechnen – zwei Jahre hier, drei Jahre dort, im Inland und im Ausland unterwegs –, immer auf der Suche nach neuen Anregungen und interessanten neuen Erfahrungen.

All das hat Michael Friedrich vor 15 Jahren hinter sich gelassen. Als er 2002 im Kloster Drübeck die Stelle als zweiter Koch antrat, war ihm wahrscheinlich noch nicht klar, daß er hier einmal seßhaft werden würde. Und als er die 10. Klasse abgeschlossen hatte, war ihm noch nicht einmal klar gewesen, daß er überhaupt einmal in der Küche landen würde.

1964 in Roßlau an der Elbe ge­boren, war er der mittlere von drei Brüdern, die im Jahrestakt das Licht der Welt erblickten. Die Eltern, eine Technische Zeichnerin für Motoren und ein Schiffbauingenieur, der in Roßlau Wolgaschiffe baute, hielten ihre Söhne an der langen Leine.

„Wir haben zusammen viel aus­ geheckt, sind an der Elbe herumge­stromert. Besonders gerne haben wir gezeltet, zum Beispiel an der Pelze, einem Zufluß der Mulde, der heute zu einem Biosphärenreservat gehört. Heute wäre Zelten da undenkbar! In der Schulzeit sind wir von dort zur Schule gegangen! Jeder von uns dreien hatte seine Aufgabe, und ich war der Organisator für die Verkö­stigung!“

Michael genoß die wilden Jahre, spielte enthusiastisch Fußball, und was er einmal werden sollte, das war ihm herzlich egal. Als es dann ernst wurde, dachte er sich, er sollte et­was mit seinen Händen produzieren; Tischler könnte ein schöner Beruf sein. Doch der Gedanke kam ihm zu spät –, alle Tischlerlehrstellen waren schon vergeben. Seinem Vater war das natürlich nicht egal. Mit seiner Hilfe fand er eine Lehrstelle als Koch im Magdeburger Wildpretstübel, und mit der gehörigen Portion Vitamin B brachte ihn der Vater anschließend in der Kantine der Schiffswerft unter.

Seine damalige Lehre findet er im Vergleich zur heutigen Praxis sehr sinnvoll. Damals galt nicht „zwei Tage Praxis, drei Tage Schule“, son­dern der Wechsel zwischen Theorie und Praxis vollzog sich nur alle zwei Wochen. „Da wurden wir nicht gleich wieder aus einem Thema rausgeris­sen, sondern konnten uns gründlich und intensiv damit beschäftigen. Ich hatte eine sehr gute Lehre!“

Als er 19 war, rief die Nationale Volksarmee. Er wurde Matrose auf Dämholm zwischen Rügen und dem Festland, einer traditionell militärisch genutzten Insel.

„Beim Sichtungstraining sollte ich mit auf den Fußballplatz, aber ich hatte das Spielen ja schon lange wegen meiner Knieprobleme auf­ gegeben, und da steckten sie mich in die Küche, in den rückwärtigen Dienst. Das war sehr angenehm. Ich mußte auf kein Schiff und hatte kei­nerlei Waffenkontakt; Küchenmesser zählten nicht“, schmunzelt er.

Zum Kochen gehörte für ihn auch das Kellnern in der Chefmes­se, und bei dieser Gelegenheit hat Michael Friedrich auch mal Gün­ter Guillaume bedient, der als Spion letztlich für den Rücktritt von Willy Brandt verantwortlich war.

Im September 1989 ging er den Weg, den damals viele nahmen: nach Ungarn und von dort über Wien nach Kassel. „Jetzt oder nie“, hatte er sich gedacht. In Kassel nahm ihn die Familie seines Patenonkels in ih­rem Haus liebevoll auf, er bekam sein Zimmer, gehörte einfach dazu und genoß das musikalische und künst­lerische Klima, das hier herrschte. Arbeit fand er zunächst auf dem Bau und dann in einem gutbürgerlichen Restaurant.

Doch dem Onkel, einem Ho­möopathen, gefiel das nicht. „Du mußt die Welt kennenlernen“, sagte er. Und damit hatte er den Beginn von Michael Friedrichs Wanderjah­ren ausgelöst.

Die Schweiz, Schottland, Was­hington DC in den USA und wieder die Schweiz waren seine Stationen, die er „kochend“ bereiste. Im bay­erischen Bad Wörrigshofen nahm er an der Hotelfachschule ein Studium auf und kochte auch hier nebenbei.

Inzwischen hatte er die Liebe sei­nes Lebens gefunden – Grit aus Roß­lau, die er schon lange kannte. Mit ihr zusammen ging er wieder in die Schweiz. Und dann erlebten sie zehn Monate, die ihnen wohl für immer unvergeßlich bleiben werden. Bevor sie eine Familie gründeten, wollten sie noch einmal alle Freiheiten genießen und bereisten zehn Monate lang als Rucksacktouristen ohne vorgefaßten Plan Südamerika. Sie unternahmen Bergtouren auf Viertausender in den

Anden, lebten spartanisch in einer Berghütte, zelteten völlig angstfrei in Ecuador und verbrachten sechs Wochen in der Hauptstadt Quito bei einem Bekannten aus der Schweiz.

Dann ergab sich eine ganz phantastische Gelegenheit: 21 Tage lang leisteten sie einen Sammel­einsatz von angeschwemmtem Müll auf den Galapagosinseln, und zwar auf solchen, wo keine Touristen hin­ kommen. „Das war alles spontan. Wir haben Müll gesammelt, und der Lohn war, daß wir auf den unbewohnten Inseln sein durften und mit dem Boot zu den Riesen­schildkröten gefahren wurden. Diese Eindrücke kann man nicht in Worte fassen!“

In Peru umrundeten sie zehn Tage lang auf 2500 bis 4200 m Höhe den eisbedeckten Alpamayo, fan­den in unwirtlicher Höhe bewohnte Dörfer, übernachteten im Zelt, das morgens vereist war, schleppten die gesamte Verpflegung mit und lern­ten auf der Tour, mit einem kleinen Keks zufrieden zu sein. Brasilien lernten sie auf der Tor auch noch kennen, und in Chile kamen sie bis fast zum Kap-Hoorn, dem wildesten Punkt des Planeten.

„Wenn wir in der Zivilisation unterwegs waren, fand ich für mich immer die Märkte, die Düfte und die Speisen am interessantesten. Wenn ich heute koche, kommt mir so manches in Erinnerung und be­einflußt mich! So komme ich oft intuitiv zu neuen Kreationen!“

Südamerika war Geschichte, Grit war schwanger und Michael hatte in Süddeutschland einen Job auf Probe. Dann sollte es auf einmal der Harz sein – wieder eine sponta­ne Eingebung? Sie waren noch nie im Harz gewesen.

Im vornehmen Hotel „Hohen­zollern“ in Braunlage fand Michael Arbeit. Aber die Chemie zwischen ihm und dem österreichischen Kü­chenchef stimmte nicht. So konnte er nicht arbeiten!

Bei der Schwangerengymnastik lernte Grit Conny Walter kennen. Die beiden befreundeten sich, und eines Tages brachte Conny einen Zeitungsausschnitt mit. Kloster Drü­beck sucht Koch – befristet! Einer der zahlreichen Bewerber war Michael. Für ihn entschied sich die damalige Chefin Brunhilde Langelüddecke. Küchenchef war seinerzeit Christi­an Fromm. Als er 20?? das Kloster verließ, nahm Michael Friedrich seine Stelle ein.

In den vielen Jahren hat er die Küche mit seine Überzeugungen geprägt. Convinience­-Zutaten, – vorgefertigte Bestandteile oder Fer­tiggerichte –, die vor 15 Jahren in der Klosterküche noch ganz normal wa­ren, kommen heute kaum noch vor. Frisch, saisonal und regional ist die Devise. Vor „Frisch und regional“ kann man sogar oft ein „äußerst“ setzen, denn so manches an Gemü­se, Salat und Kräutern bietet der üppige Klostergarten direkt vor der Küchentür.

„Ich brauche in meiner Küche nicht viel Technik. Sie hat moder­nen Standard, aber mehr nicht. Hier kann ich mit meinen neun Mitarbei­tern entspannt arbeiten, es ist sehr angenehm.“ Besonders genießt er, daß er seiner Kreativität hier freien Lauf lassen kann. „Ich bin nicht starr auf Bio fixiert, aber ich kenne meine Lieferanten und weiß, ich kann ihnen vertrauen. Die Resonanz bei den Se­minarteilnehmern und anderen Gä­sten spricht ja eindeutig dafür, daß wir richtig liegen!“ So bewahrheitet sich der vor vielen Jahren kreierte Slogan „Klosterköche kochen an­ders“ immer wieder.

Nach Jahren der Suche haben die Friedrichs, die inzwischen mit Emma, Friederike und Emil auf eine fünfköpfige Familie angewachsen sind, endlich ihr schönes Heim am Lustgarten gefunden. Die Ilsenburger Zimmermannsfirma von Christian Eggert hat das schlichte Einfamili­enhaus in ein knuffliges Holzhaus verwandelt, das allen modernen An­forderungen genügt. Vieles hat der Hausherr bei den Abbrucharbeiten selbst gemacht. Für ihn kein Problem, er ist fit – kein Arbeitstag ist in den letzten 15 Jahren vergangen, an dem er nicht mit seinem Fahrrad zur Arbeit nach Drübeck gefahren wäre, wo er, nebenbei gesagt, bestimmt den am längsten „befristeten“ Arbeitsplatz der Welt hat.

Übrigens: Einmal hat es die Familie noch in die Ferne gezogen. Bevor Emma eingeschult wurde, ging’s für zwei Monate nach Mexi­ko, wie immer auf eigene Faust und mit schmalem Budget.

Vom Drübecker Kloster wegzu­gehen kann sich Michael Friedrich nicht vorstellen. Höchstens regt sich manchmal so ein kleiner Traum von Selbständigkeit…


Quelle: Christine Trosin / Neue Wernigeröder Zeitung 13/17
Foto: Christine Trosin